Du bist mein Kind by Groner Jonathan
Autor:Groner, Jonathan [Groner, Jonathan]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-11-17T05:00:00+00:00
Williams und Antonias Probleme waren inzwischen immer wieder aufgeflackert. Genau ein Jahr zuvor hatte Antonia die Scheidung mit dem Argument verlangt, daß sie dauernd getrennt wohnten. Ihr Mann hatte abgelehnt. Er strebte eine Versöhnung an und wollte wieder mit ihr zusammenleben. Abgesehen davon glaubte er immer noch, sie hätte ihm einen Teil seines Vermögens gestohlen. Als sich dann die Krise um ihre Enkelin zuspitzte, legten die zwei ihren Streit fürs erste bei. Und William wäre nicht William gewesen, hätte er Elizabeth nicht aufgefordert, Dixons Anordnung, koste es was es wolle, zu ignorieren und sogar eine Gefängnisstrafe zu riskieren; ginge es doch darum, ihre Tochter vor einem »Unhold« zu bewahren: »Du hast keine andere Wahl! Bei Gewissensfragen gibt es keine Kompromisse!«
Eric hatte sich für die Zeit zwischen zwölf Uhr mittags und halb eins angesagt. Um viertel nach elf traf William ein und verbarg sich sogleich hinter einem Vorhang. In einem anderen Versteck lauerte, mit einer Videokamera im Anschlag, Alan Alkire. Elizabeth hatte ihn gebeten, die Übergabe zu filmen, damit sie Dixon endlich beweisen könne, wie sehr das Mädchen sich vor seinem Vater fürchtete. Als es um drei nach eins klingelte, flüchtete sich Hilary weinend in die Arme ihrer Mutter. Aber es waren nur die Nachbarn, die das Mädchen einladen wollten. Kaum hatte Elizabeth Hilary einigermaßen beruhigt, klingelte es erneut. Diesmal standen Eric und seine Eltern vor der Tür. Elizabeth preßte ihre Tochter an sich und sagte ihr unentwegt, sie müsse mit Eric mitgehen. Und dann ging es auf einmal drunter und drüber. Alle schrien und fuchtelten wild durcheinander. Hilary brach sofort wieder in Tränen aus und schluchzte: »Ich will nicht weggehen!« Ihre Schreie riefen nun William auf den Plan. Er stürmte hinter seinem Vorhang hervor und brüllte unentwegt: »Das Kind hat panische Angst! Das Kind hat panische Angst!« Trotzdem versuchte Eric, sich Hilary zu nähern und sie zu sich zu locken. »Bitte laß mich, Dad«, wimmerte sie. »Du weißt doch, warum.« Als ihr Vater den Grund wissen wollte, erwiderte sie leise: »Mir ist ein bißchen schlecht.« Das allgemeine Geschrei ging noch eine ganze Weile weiter, bis die Foretichs schließlich frustriert abzogen.
Als sie weg waren, rang Elizabeth nach Luft wie eine Frau, die soeben einen Nervenzusammenbruch erlitten hat. Hilary dagegen wirkte ruhig und gefaßt. »Ist ja gut, Mommy« murmelte sie ein ums andere Mal, um ihre Mutter zu beruhigen.
William Morgan und Alan Alkire haben in ihren Aussagen über die etwa fünfzehnminütige Szene stark übertrieben. Der Großvater meinte, Hilary hätte »vor Angst gebrüllt wie am Spieß«. Schlimmer seien nicht einmal die Schreie der Verwundeten auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs gewesen. Wohin diese »Angstneurose« führen konnte, glaubte der pensionierte Psychologe ebenfalls zu wissen: »Wenn ein erneutes Auftreten ihrer Angstzustände nicht verhindert wird, müssen eine Herzattacke, ein Schlaganfall oder schwere geistige Störungen befürchtet werden.«
Alkire verstieg sich sogar zu der Auffassung, »bloßer« sexueller Mißbrauch könne nicht der eigentliche Grund für Hilarys »Panik« gewesen sein. Vielmehr müsse Eric ihr irgendwann Todesangst eingejagt haben.
Bei einer objektiven Betrachtung des Films lassen sich derartig exotische Interpretationen allerdings kaum halten. Man sieht ein kleines Mädchen weinen, mehr nicht.
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